Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie
Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium
- 25 April 2024
- Stuttgart
Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt waren, leuchteten in einem Magnetresonanztomographie-Experiment hell auf – viel heller als das eigentliche Kontrastmittel, das Schwermetall Gadolinium. Könnte Diamantstaub eines Tages ein alternatives Kontrastmittel für die MRT werden? Das Forscherteam veröffentlichte die Entdeckung im Fachjournal Advanced Materials.
Stuttgart – Einige der größten Entdeckungen der Wissenschaft erfolgten durch Zufall. Auch wenn die Entdeckung von Diamantstaub als potentielles MRT-Kontrastmittel wohl kaum einen Wendepunkt in der Wissenschaftsgeschichte markiert, so sind seine signalverstärkenden Eigenschaften doch eine unerwartete Erkenntnis: Diamantstaub leuchtet nach der Injektion noch tagelang hell. Bedeutet das, dass der Staub vielleicht eines Tages eine Alternative zu dem weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium werden könnte?
Dieses Schwermetall wird seit 30 Jahren als Kontrastmittel verwendet. Es wird vor einer MRT-Aufnahme gespritzt, um krankhafte Veränderungen im Gewebe oder an Knochen sichtbar zu machen, z.B. Metastasen, Entzündungsherde oder Gefäßanomalien. Gadolinium erhöht dabei die Helligkeit des aufgenommenen Bildes des jeweiligen betroffenen Bereichs. Wenn Gadolinium jedoch in die Blutbahn eines Patienten injiziert wird, gelangt es nicht nur in das Tumorgewebe, sondern auch in das umgebende gesunde Gewebe. Es kann bei einigen Menschen noch bis zu anderthalb Jahre nach Verabreichung im Körper nachgewiesen werden. Die langfristigen Folgen sind nicht bekannt. Gadolinium verursacht auch eine Reihe anderer Nebenwirkungen. Die Suche nach einer Alternative läuft seit Jahren.
Könnte Diamantstaub, ein Material auf Kohlenstoffbasis, aufgrund einer unerwarteten Entdeckung, die in einem Labor des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart gemacht wurde, eine gut verträgliche Alternative werden?
Dr. Jelena Lazovic Zinnanti arbeitete an einem Experiment mit Nanometer kleinen Diamantpartikeln, die sie für einen ganz anderen Zweck vorgesehen hatte. Die Forscherin, die am MPI-IS die Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung Medizinische Systeme leitet, war überrascht, als sie die drei bis fünf Nanometer kleinen Partikel in Kapseln aus Gelatine gab. Die Idee ist, die Kapseln als Transportmittel für Medikamente einzusetzen. Der Diamantstaub sollte dabei helfen, die Kapseln zu erhitzen und aufzubrechen, damit die Medikamente freigesetzt werden. Jelena nahm an, dass Diamantstaub mit seinen thermischen Eigenschaften hierfür ein geeignetes Material ist.
„Ich hatte vor, den Diamantstaub lediglich dafür einzusetzen, die Medikamente-Kapseln zu erhitzen“, erinnert sich Jelena. „Ich verwendete Gadolinium, um die Position der Staubpartikel zu verfolgen. Ich wollte eigentlich wissen, ob sich die Kapseln mit den Diamanten im Inneren besser erwärmen würden. Bei den ersten Tests war ich frustriert, weil Gadolinium aus der Gelatine austrat – so wie es aus dem Blutkreislauf in das Gewebe eines Patienten austritt. Ich beschloss, Gadolinium wegzulassen. Als ich Tage später MRT-Bilder aufnahm, war ich überrascht. Die Kapseln waren immer noch hell. Wow, das ist interessant, dachte ich! Der Diamantstaub scheint bessere signalverstärkende Eigenschaften zu haben als Gadolinium. Das hatte ich nicht erwartet.“
Jelena führte diese Erkenntnisse weiter, indem sie den Diamantstaub in lebende Hühnerembryonen injizierte. Sie entdeckte, dass Gadolinium wie erwartet überall hin diffundierte, die Diamant-Nanopartikel jedoch in den Blutgefäßen blieben, sich nicht ins Gewebe ausbreiteten – und später im MRT, so wie in den Gelatinekapseln, hell leuchteten. Andere Wissenschaftsteams hatten zuvor ähnliche Ergebnisse mit Diamantpartikel, die an Gadolinium gebunden waren, publiziert. Jedoch hat bisher noch niemand gezeigt, dass Diamantstaub alleine für sich ein Kontrastmittel sein könnte.
Zwei Jahre später publizierte Jelena Lazovic Zinnanti als Erstautorin ein Forschungsarbeit, die nun in Advanced Materials veröffentlicht wurde.
„Warum Diamantstaub in unserem MRT hell leuchtet, ist uns immer noch ein Rätsel“, sagt Jelena, die mit Prof. Metin Sitti und Forschenden der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS sowie mit Dr. Eberhard Göring vom Nachbarinstitut, dem MPI für Festkörperforschung, zusammenarbeitete. Über den Grund für die magnetischen Eigenschaften des Staubs kann sie nur mutmaßen: „Ich denke, die winzigen Teilchen haben Kohlenstoffe, die leicht paramagnetisch sind. Möglicherweise haben die Teilchen einen Defekt in ihrem Kristallgitter, der sie leicht magnetisch macht. Deshalb verhalten sie sich wie das T1-Kontrastmittel Gadolinium. Zudem wissen wir nicht, ob Diamantstaub möglicherweise giftig sein könnte, was in Zukunft sorgfältig untersucht werden muss.“
Sollte sich Diamantstaub als sicher und gut verträglich für Patienten erweisen, so könnte er laut Jelena möglicherweise eine Alternative zu bisherigen Kontrastmitteln in der MRT darstellen.
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Nanodiamond-Enhanced Magnetic Resonance Imaging (Adv. Mater. 11/2024)
Jelena Lazovic, Eberhard Goering, Anna-Maria Wild, Peter Schützendübe, Anitha Shiva, Jessica Löffler, Gordon Winter, Metin Sitti
First published: 14 March 2024
https://doi.org/10.1002/adma.202470085
MRI
Gadolinium
diamond dust